Restaurierung des ältesten Hauses in Vöhrum – Teil 2
Von Dr. Max Zirngast
In diesem Artikel lesen Sie den zweiten Bericht über die Restaurierung des Zweiständerhauses von 1668 in der Kirchvordener Str. 49, Vöhrum. Der Bericht ist in zwei Teile gefasst. Dr. Max Zirngast hat mit seinem handwerklichen Talent des Verfalls des ältesten Hauses verhindert. Vor der Sanierung zu einem Wohnhaus diente das Gebäude zwischenzeitlich auch als katholisches Gotteshaus. Alle Bilder: © Dr. Max Zirngast
Teil 2: Dielenbereich ( August 1993 bis August 1994)
Vorbemerkung
Nach dem Abschluss der Renovierung des Wohnbereichs dauerte es 10 Jahre bis die Restaurierung des Dielenbereiches, der eine Größe von etwa 12m x 12m hat, in Angriff genommen werden konnte. Bis dahin wurde die Diele (ehemaliger Kirchenbereich) als Abstellraum genutzt, wobei darauf geachtet wurde, dass in dieser Zeit das alte, mit handgestrichenen Pfannen gedeckte Dach, einigermaßen dicht blieb, um weitere Schäden am Fachwerk und an der Dachkonstruktion zu verhindern (Abb. 1). Eine grundlegende Restaurierung wurde jetzt allerdings dringend erforderlich, da besonders das Dach so instabil wurde, dass ein Einstürzen bei Sturm befürchtet werden musste. Bei der Restaurierung sollte der durch die nachträglich eingebrachten Hilfskonstruktionen (Sprengwerk) verbaute Dachraum wieder nutzbar gemacht werden. Diese Nutzungsänderung machte einen Bauantrag erforderlich, der von den Denkmalbehörden genehmigt werden musste. Während die Abstimmung mit der Unteren Denkmalbehörde (Stadt Peine) problemlos war, gestaltete sich die Zusammenarbeit mit der dem damaligen Institut für Denkmalpflege und der Oberen Denkmalbehörde als schwierig. Die Vertreterinnen dieser Institutionen fühlten sich an die, beim Kauf des Hauses mit Dr. Gisau vom Institut für Denkmalpflege getroffenen Vereinbarungen nicht gebunden und waren nur an der Konservierung des gegenwärtigen Zustands interessiert. An eine Nutzung des Gebäudeteils durch uns wäre so nicht zu denken gewesen. Diese Einstellung führte zu einer erheblichen zeitlichem Verzögerung und finanzieller Mehrbelastung. So geht die folgende Bestandsaufnahme auf eine Forderung der Oberen Denkmalbehörde zurück. Durch diese Bestandsaufnahme sind der baufällige Zustand dieses Baudenkmals und die 1948 durch ein Vöhrumer Bauunternehmen ausgeführten baulichen Veränderungen des Dielenteils zu der ehemaligen katholischen Kirche Vöhrums in Bildern und Maßangaben dokumentiert.
Aufgrund der Anzahl der vorhandenen Bilder sind diese in Fotogalerien zusammengefasst.
Arbeitsschritte
Leider fand sich kein Zimmereibetrieb, der für die erforderlichen Arbeiten einen Kostenvoranschlag liefern wollte bzw. den Auftrag in dem veranschlagten Zeitraum übernehmen konnte. Daher mussten die Arbeiten in Eigenregie (und Verantwortung) durchgeführt werden, wobei bei bestimmten Arbeiten auch Fachkräfte halfen.
Entkernung des Gebäudeteils
Zuerst wurde mit Hilfe aller Familienmitglieder (die Söhne waren inzwischen 10, 17 und 19 Jahre alt) das Dach abgedeckt, wobei die alten handverstrichenen S-Pfannen möglichst nicht beschädigt wurden (Abb. 2). Es folgte die Entfernung der Fachwerkausfachungen, die z.T. noch aus dem originalen Lehmschlag (Abb. 3), Lehmziegel oder
Ziegelsteinen bestand. Da letztere wieder verwendet werden sollten, wurde der Mörtel sorgfältig abgeklopft (Abb. 4). Die Demontage des schweren Eisenkreuzes vom Dachfirst erledigte ein Mitglied der katholischen Kirchengemeinde Vöhrums (Abb. 5).
Nach der Sicherung der Standfestigkeit des entkernten Fachwerks mit Stützbalken und Bohlen, wurden das Fachwerk der Kübbungswände zerstörungsfrei auseinandergenommen (Abb. 6 und 7). Da die Fußenden der Ständer der Außenwände angefault waren, wurden sie gekürzt und neu gezapft. Zur Erhaltung der ursprünglichen Wandhöhe sollte die Schwelle höher gelegt werden. Anschließend wurden die Ständer und Riegel abgeschliffen und lasiert (Abb. 8). Da die Schwellen ursprünglich direkt auf der Erde lagen, wurden Streifenfundamente als Unterlage für die neuen Schwellen gegossen (Abb. 9).
Die im Abschnitt Aufmaß des Dielenbereichs dokumentierten Schäden waren eine Folge der unterschiedlichen Absackung der Ständer, was zu einer starken Verwindung des gesamten Fachwerks geführt hatte. Die dadurch auftretenden Kräfte bewirkten Verformung und führten stellenweise zum Bruch der zu schwach dimensionierten Sparrenschwelle. Die Sparren rutschten von der Sparrenschwelle, was zur Verformung des Daches führte. Ursprünglich war geplant das Gebäude mit dem Dach zu richten. Doch Versuche mit schweren Wagenhebern zeigten, dass die dadurch erzeugten Spannungen zum Einsturz der Dachkonstruktion führen könnten. Aus diesem Grund wurden die Dachsparren heruntergenommen (Abb.10), wobei darauf geachtet wurde, dass sie unbeschädigt blieben, da sie an gleicher Stelle wieder eingebaut werden sollten. Es folgte die Demontage des 1948 eingebauten Kirchenportals (Abb. 11).
Der Torbalken wurde der katholischen Kirchengemeinde übergeben, die ihn zur Erinnerung an die Außenwand ihrer Kirche anbrachte (Abb. 12). Nachdem die Ständerpaare durch unterschiedliche Hebung ausgerichtet waren, konnten die 1948 entfernten Fachwerkriegel und Kopfbänder zwischen den Ständern wieder eingebaut werden (Abb. 13). Die Anbindung erfolgte durch Holzverbindungen (Zapfen, Zapflöcher und Holznägel). Auf den neu errichteten Ziegelsteinfundamenten wurden Eichenschwellen aufgelegt. Darauf wurde dann mit den renovierten Ständern und Riegeln das Außenfachwerk wieder errichtet (Abb. 14 und 15).
Fotogalerie
Abbildungen 1 bis 15
Giebelwand und Dachraumboden
Es folgte die Rekonstruktion der Giebelwand. Dazu musste der ursprüngliche Torbogen (Abb. 16 und 17) und zwei Ständer neu hergestellt und eingebaut werden. Das Tor, die Einfahrt zur Diele, befindet sich damit wieder am ursprünglichen Platz, was anhand der Zapflöcher und Holznagellöcher rekonstruiert werden konnte und jetzt wieder den Fotografien und Darstellungen aus den 30iger Jahren (siehe Kap. Aufmaß des Dielenteils) entspricht. Beim seinerzeitigen Umbau für die katholische Kirche war das Eingangsportal symmetrisch in die Mitte versetzt worden. Anschließend erfolgte die Ausmauerung der Fächer mit den alten gereinigten Ziegelsteinen (Abb.18). Hinter dem Tor wurde der ebenfalls 1948 entfernte Vorschauer wieder aufgebaut (Abb. 19).
Der Fachwerkaufbau war jetzt soweit beendet, sodass die Wiedererrichtung der Dachkonstruktion in Angriff genommen werden konnte. Dazu wurden auf den Deckenbalkenenden neue Sparrenschwellen befestigt. Die originalen Sparrenpaare wurden auf dem Platz vor dem Giebel gerichtet, am oberen Ende und mit den Original-Hahnenbalken verzapft und mit Bohlen für den Transport auf das Gebäude zusätzlich stabilisiert. Mit Hilfe einer Umlenkrolle am Giebel und eines Zugfahrzeuges wurden sie dann in der richtigen Reihenfolge vor der Giebelwand senkrecht gestapelt (Abb. 20 bis 22). Zur Verstärkung des für die Dachziegel zu schwach dimensionierten Originalsparrendaches (Sparrenabstand 1,50 m bis 2 m) wurden Hilfssparrenpaare, die zwischen den Originalsparrenpaaren angebracht werden sollten, hergestellt (Abb. 23).
Da der Dachraumboden für eine Wohnungsbelastung ausgelegt werden sollte, wurden die Deckenbalken der Diele durch einen Stahlträger verstärkt (Abb. 24). Ein Autokran setzte dann die Sparrenpaare in die richtige Position auf die neue Sparrenschwelle (Abb.25).Zur zusätzlichen Stabilisierung der Dachsparren wurden eine Kehlbalkenlage auf Mittelpfetten eingebaut (Abb. 26). Danach erfolgte die Anbringung der originalen Walmsparren in ihrer alten Position (Abb. 27).
Inzwischen war es Ende November geworden und beim ersten Schnee konnte gerade noch die Dachschalung mit Dachpappe auf die Sparren genagelt werden (Abb. 28 und 28a).
Gleichzeitig wurde mit den alten Balken der nachträglich eingebauten, jetzt jedoch überflüssigen Stützkonstruktionen des alten Dielendaches und den alten S-Pfannen ein Fachwerk-Carport errichtet (Abb. 29 und 30).
Der Winter wurde genutzt um den Innenausbau fertig zu stellen. Auf die Deckenbalken der Diele wurden breite unbesäumte Bohlen aufgelegt. Die alten Fenster und Türen wurden renoviert und eingebaut, neue Dielenböden in der Diele und dem Dachraum verlegt, Innenwände verputzt und elektrische Leitungen gelegt. Sobald die Witterung es zuließ wurde im Frühjahr das Dach eingedeckt. Im Vorschauer wurde ein neues Dielentor eingebaut (Abb. 31). Im August erhielt das Fachwerk den letzten Anstrich und die Halbsonnen wurden ausgemalt (Abb. 31 und 32).
Am 3. 9. 1994 endlich konnte der Abschluss der Instandsetzungsarbeiten des ältesten Hauses Vöhrums gefeiert werden (Abb.33 bis 36).
Aufmaß des Dielenbereichs (Anlage)
In der Anlage sind die folgenden Themen in 4 PDF-Dateien zusammengefasst:
1. Lage des Gebäudes
2. Beschreibung des Fachwerkhauses
3. Bauaufnahmepläne
4. Fotodokumentation
5. Zusammenfassung der Schäden und Sanierung
Aufgrund der Dateigrößen sind eventuell längere Ladezeiten möglich!
PDF Aufmaß Dielenbereich Seite 1 bis 7 (ca. 2,1 MB)
PDF Aufmaß Dielenbereich Seite 8 bis 15 (ca. 2,7 MB)
Fotogalerie
Abbildungen 16 bis 37 und Luftbild