Chorifeen im stillen Kämmerlein …

Gefühlt haben die Chorifeen gerade erst angefangen. Nur ein Jahr hatten wir vom Beginn bis zum „Lockdown“. Gerade als es so richtig begann zu laufen bzw. es sich auch so wie ein Chor anhörte, wurden wir ausgebremst. So viele Pläne, wie ein eintägiger Workshop, eine Chorfahrt und die ersten Auftritte – zum Beispiel auf der Jahreshauptversammlung unseres Heimat- und Kulturvereins Vöhrum – Eixe – Landwehr e.V. – sind nun verschoben auf… Ja, wer weiß das schon? Vielleicht erst auf das 1000-jährige Vöhrum-Jubiläum im Juni 2022? Und wenn wir das dann machen, können wir dann überhaupt noch singen? Wie wir alle erfahren mussten hat das ja doch auch etwas mit Übung und Regelmäßigkeit zu tun. Uns allen fehlt die wöchentliche Probe, die Begegnung mit den anderen Chorifeen (und ja, auch der Sekt danach), die Mehrstimmigkeit und unsere geliebte Kreis-Koordinationsübung.

Und so sitzen wir alle in unseren „stillen Kämmerlein“ zu Hause und trällern wieder nur beim Staubsaugen oder unter der Dusche vor uns hin. Wer hätte denn jemals gedacht, dass Singen irgendwann mal als extrem gefährlich eingestuft würde?

Das Repertoire zu Hause begrenzt sich erfahrungsgemäß auf „Happy Birthday“, die Charts und das Gutenachtlied für die Kinder… und vielleicht noch den „Sound of silence“. Der Donnerstagabend ohne Termin, ohne Gesang und ohne lautes Lachen. Bei dem Einen oder Anderen war zumindest der traditionelle Sekt aus dem Ikeabecher geblieben, aber auch der tröstete nicht darüber hinweg, dass wir jetzt nicht mehr zusammen Singen durften.

Wir waren daher alle sehr froh, als Gesine Ende März vorschlug, online zu proben. Als die Anfangsschwierigkeiten mit der Technik behoben waren klappte es von Mal zu Mal besser. Das erste Stück in unseren Online-Proben war gleich ein voller Erfolg. Ein Ohrwurm, den man einfach immer wieder singen musste mit einem Text, der gerade in diesen Zeiten sehr nahe geht: „Hast Du mal ein bisschen Zeit für mich? Ich möcht` Dich gerne wiedersehn, ich vermisse Dich…“ Das Stück haben wir bis heute noch nie alle gemeinsam gesungen. Wir freuen uns alle aber schon sehr drauf, es mehrstimmig (außerhalb der eingesungenen Mehrstimmigkeit unserer lieben Chorleiterin) zu hören.

Auch der Kanon „banuwa jo“ hört sich gemeinsam bestimmt sehr schön an.

Im Mai wurden wir dann von unserem Männerchor, dem Projekt X, für die Klorollenchallenge nominiert. Also sangen wir vom heimischen Sofa aus:

„Chorifeen trinken heute wunderbar

Sekt und Champus trallala.

Es ist egal ob süppeln, gurgeln oder Einen heben,

die Rolle wolln`wir weiter geeeeben…

…jetzt sind wir alle voll, alle voll ja voll.“

Dank Henrik, der uns perfekt in Szene setzte und zusammenschnitt, konnten wir mit einem mehr als passablen Video verhindern, dass die Männer 30 Liter Bier von uns bekamen. Doch auch unser erhoffter Sekt kam nicht bei uns an, da die von uns Nominierten (DLRG und der Posaunenchor Vöhrum) ebenfalls lupenreine Videos innerhalb der vorgegebenen Zeit ablieferten.

Am 25. Juni durften wir dann endlich wieder gemeinsam proben. Draußen mit einer Poolnudel Abstand, Anwesenheitslisten und Desinfektionsspray. Aber immerhin. Im Garten des Vöhrumhauses No. 5 boten wir so ein paar Open-Air-Konzerte dar und im Juli durften wir bei weit geöffneten Fenstern und Türen sogar wieder in das akustisch viel schönere Vöhrumhaus No. 5  rein.

Nach den Sommerferien, in denen man Corona durch schönes Wetter und eine bei uns sehr entspannte Infektionslage schon fast vergessen konnte, fingen wir in drei Kleingruppen nach Stimmen aufgeteilt mit maximal 10 Teilnehmerinnen getrennt an zu proben.

Viele Proben wurden es leider nicht, denn dann kam das, was alle befürchtet hatten: Die 2. Welle, die nun auch Peine immer besorgniserregender trifft und erneut dazu führt, dass wir ausschließlich online proben. Aber immerhin proben wir. Aktuell neben dem bekannten Earth Song und Joris „Herz über Kopf“ auch das Abendlied – ein neuer Kanon mit Suchtfaktor.

Und wie das so ist online…anders. Wir lernen die Familienmitglieder der anderen Chorifeen kennen, die bewusst mitproben oder auch einfach mal durchs Bild laufen oder technische Erste-Hilfe leisten. Eigentlich hören wir uns ja nicht, da wir aber regelmäßig vergessen uns (wieder) stumm zu schalten, hören wir uns manchmal doch ein wenig. Dann muss Gesine uns eben alle stummschalten.

Und anders ist es auch, weil wir mal sehen, wie es bei den anderen so aussieht. Bei Gesine hängt ja immer der Männerkalender im Hintergrund – viele von uns schalten vielleicht auch nur deshalb ein?! Von 70er-Jahre-Tapeten, Trampolinen im Wohnzimmer und Weihnachtsdeko noch vor dem Totensonntag (OMG) … alles, was es in unseren guten Stuben so zu sehen gibt.

Und wenn dann alle stumm geschaltet sind und sich eingeklopft und gestreckt haben, gedehnt und eingesungen sind, einen Ton genommen und von oben nach unten und in kreisenden Bewegungen herumgeführt haben, dann geht es los. Wir singen. Und auch wenn man nur sich selbst und Gesine hört – und das manchmal sogar zweistimmig klappt – ist es ein kleines Chorgefühl. Man sieht zumindest, dass man nicht allein ist und singt. Die „Chorifeen singen wieder wunderbar…“ – bis zum Zoom-Lockdown nach 40 Minuten, denn dann sind auf einmal alle abrupt weg, da das Meeting automatisch endet. Mitten im Lied.

Aber egal, denn nächste Woche sind wir wieder da. Wir üben weiter für die Zeit nach der Pandemie. Eine Zeit, in der wir dann wieder zusammen singen dürfen. Eng nebeneinander stehen in unseren Stimmen, immer ein Ohr am Nachbarn, ein Auge auf dem Notenblatt der anderen, nah am Klavier stehend und vielleicht ja singend: „Hast Du mal ein bisschen Zeit für mich? Ich möcht` Dich gerne wiedersehn, ich vermisse Dich…“

Von Nicole Bode