Vöhrumer Gesteine
Von Gerhard Best
Die Vöhrumer Feldmark ist reich an Bodenschätzen, die seit jeher für diesen Ort auch wirtschaftliche Bedeutung haben. Es begann mit dem Raseneisenerz der Fuhsewiesen, das bereits in vor- und frühgeschtlicher Zeit gewonnen wurde. Später kam der industrielle Abbau tieferliegender Erzhorizonte hinzu, die bergbaulich in der Schachtanlage Peine genutzt wurden. Zu den wichtigen Bodenschätzen gehören auch die Kiesvorkommen mit den zahlreichen Kiesgruben, die heute zu Angelgewässern oder zum Eixer See wurden. Torf wurde in alter Zeit gestochen, Ton für die Ziegelherstellung in mehreren Gruben abgebaut und auch Kalkmergel zum Kalken saurer Böden wurde auf den Dickelsbergen in der Vöhrumer Feldmark gewonnen.
Die folgende Zusammenstellung beschreibt einige Gesteine, Fundstücke und Fossilien, die auch zum Teil im Vöhrumer Bürgerhaus in einer Vitrine ausgestellt werden.
Kollektion von Seeigeln in Feuersteinerhaltung
Die am häufigsten auf Äckern oder in Kiesgruben zu findenden Gesteine sind die von den eiszeitlichen Gletschern aus Skandinavien abgetragenen Granite, Gneise und Porphyre, Quarzite und Sandsteine des 390 bis 440 Millionen Jahre alten Skandinavischen Grundgebirges. Sie kommen in allen Größenklassen vor, vom Sandkorn, Kies, „Überkorn“ bis zu tonnenschweren Blöcken.
Der Eispanzer war in Skandinavien ca. 2 km mächtig und erreichte bei uns noch mehr als 300 m. An der Eisbasis wurden die Findlinge unter dem enormen Gewicht des Eispanzers gegeneinander und über den Untergrund geschliffen und geschrammt, wie unter einer riesigen Walze.
Die gerundete Form erhielten unsere Findlinge also unter der Eislast. Den „letzten Schliff” bekamen sie, als sich das Eis zurückzog. Kalte Fallwinde führten viel Sand und Staub mit, wirkten wie ein Sandstrahlgebläse und versahen auch härteste Gesteine mit Schliff und Politur. Typische Produkte sind die Windkanter, auf denen der Windschliff in mehreren Phasen auffällige Kanten geformt hat.
Ein schönes Beispiel für einen Findling ist der tonnenschwere Granitblock vor dem Vöhrumer Bürgerhaus, der als Gedenkstein zum 1000-jährigen Bestehen 2022 aufgestellt wurde.
Der Findling stammt aus einer Grube bei Handorf der Firma Schimmel. Bei der Lagerstätte handelt es sich um saale-eiszeitliche Ablagerungen des Drenthe-Stadiums. Dabei ist Gesteinsmaterial aus Südschweden durch Gletschervorstoß in unsere Gegend transportiert worden. Der Findling selber ist ein Granit, dessen Alter bei ca. 2 Mrd. Jahren liegen dürfte.
Windkanter
Als Raseneisenstein, manchmal auch Raseneisenerz, werden durch besonders hohe Eisengehalte gekennzeichnete Verfestigungen in rezenten (noch bestehneden) wie fossilen Grundwasserböden bezeichnet, die gesteinsbrockenartig als Konkretionen
oder bankartig als Bodenhorizonte auftreten. Eine Konkretion ist ein unregelmäßiges, häufig auch rundlich gestalteter Mineral-Zusammenschluß, der in einem anders gearteten feinkörnigen Sediment aus einer wässrigen, zirkulierenden Lösung (Porenwasser) ausgesintert (verdichtet) ist. Das Alter dieser nacheiszeitlichen Bildungen liegt zwischen 10000 und 2000 Jahren
Die in der Fuhseniederung in Gräben oder beim Torfstechen gefundenen Brocken wurden früher zum Teil als Fundamentsteine für Vöhrumer Häuser verwendet.
Für die Gemeinde Isernhagen war das Vorkommen von Eisen sogar namensgebend: „Eisernhagen“. Raseneisenstein wurde sowohl in Blumenhagen, Isernhagen als auch in Langenhagen zum Bau von Kirchenaußenmauern verwendet.
Beim Raseneisenstein handelt es sich aber nicht – wie die Bezeichnung vermuten lässt – um Gestein oder Erz im geologischen Sinne, sondern um nachträglich verfestigte Sedimentfraktionen des Bodens. Zumeist sind dies Sand, Ton und Schluff, manchmal Kies, sowie unter Umständen organische Substrate (vor allem Torf) mit entsprechend hohen Metallgehalten. In diesen häufig bis zu einem halben Meter mächtigen Horizonten können die Eisengehalte – Hauptmineral ist Limonit – durchaus bis zu 45 Prozent betragen. Bei vielen dieser Anreicherungen spielen nachgeordnet auch Mangan, teilweise Phosphor und andere Elemente eine Rolle. Raseneisenstein eignet sich zur Eisengewinnung und wurde schon in vorgeschichtlicher Zeit „Eisenzeitalter“ von Germanen und Kelten in „Rennöfen“ verhüttet.
Auszug aus Fritz Rehbein (1973): Zur Eisenverhüttung der vor- und frühgeschichtlichen Zeit sowie des Mittelalters im Landkreis Peine:
„Der am Dorfrande von Eixe im Jahre 1962 bei Kanalisationsarbeiten geborgene rund 70 kg schwere Granitfindling mit der muldenartigen Vertiefung (Abb. 1) hat sich als Amboßstein erwiesen, der der Aufbereitung des zu verhüttenden Erzmaterials diente. Die Mulde ist 30 cm breit und 8 cm tief, ein Zeichen dafür, dass der Amboss sicher über eine ganze Reihe von Jahren dazu diente, die zähen Rasenerzbrocken aus der nahen Fuhseniederung in ihm zu zerschlagen. Die Verhüttungsstelle hierzu hat sich aber nicht ermitteln lassen. Alle Eisenschlacken-Fundplätze des Kreises liegen am Rande der Niederungen von Fuhse, Erse, Pisser, Aue, Schölke, Schwarzwasser und von Mooren. Somit lag das Rohmaterial für die Eisenverhüttung, das Raseneisenerz (Sumpferz), „vor der Tür”.
Die Bezeichnung Raseneisenstein rührt daher, dass dieser bei Grundwasser-Böden nah unter der Rasensode ansteht und leicht „mit Spaten und Hacke“ gewonnen werden kann. Weitere Bezeichnungen für die manchmal sogar wie Schlacke erscheinenden rotbraunen bis (bei höheren Mangananteilen) blauschwarzen Verfestigungen sind Brauneisenstein, Sumpfeisenstein, Sumpfraseneisenerz oder schlicht „Rasenerz“.
Die Markuskapelle in Blumenhagen mit Raseneisenerz
In den Vöhrumer Tongruben sind bankweise brotleibförmige Konkretionen eingelagert, die hohe Eisengehalte aufweisen. Sie haben oft eine limonitische Rinde und im Inneren vielfältige Mineralien wie Calcit, Siderit, Pyrit, Sphalerit, Kupferkies. Im Gegensatz zu echten Geoden, die im Inneren große Hohlräume mit Kristallen aufweisen, handelt es sich hier um sedimentäre Geoden oder Konkretionen, die durch Ausfällung aus dem Porenwasser um einen meist aus organischen Resten bestehenden Sedimentationskeim z.B. einen Ammoniten entstanden sind. Die Ausfällung wird durch pH-Wert-Unterschiede um den Kristallisationskeim ausgelöst. Das ausgefällte Material unterscheidet sich im Stoffbestand meist vom Mineralbestand der unmittelbaren Umgebung. Die Anlagerung erfolgt meist konzentrisch und spiegelt die wechselnden Ablagerungsbedingungen während der Gesteinsbildung wider.
Toneisenstein-Geode aus der ehemaligen Vöhrumer Tongrube, im Inneren Calzit
Pyrtkristalle auf der limonitischen Kruste der Geode
Trümmererz: dunkel = Eisenkrusten (Limonit), hell = kalkige Matrix
Aus der Eisenerzgrube Peine (in Betrieb von 1941 bis 1968) die auf Vöhrumer Gelände gegenüber Telgte gelegen war, stammt dieses Trümmererz aus einer Tiefe von 385 m unter Tage. Das Erzlager entstand während der Oberkreide im Santonium vor ca. 85 Millionen Jahren, bei der Rückkehr des Meeres durch Abtragung und Anreicherung der unterkreidezeitlichen Toneisenstein-Geoden, wie sie in den Vöhrumer Tongruben auf den Dickelsbergen gefunden werden können. Bei dieser Transgression wurden die spezifisch schwereren Eisenkrusten in „Kolken“ eingelagert. Der durchschnittliche Eisengehalt des Roherzes lag bei 27 %
Neben der in Telgte aufgestellten Seilscheibe ist die letzte mit Erz gefüllte Lore zu sehen. Weniger erzreiche Brocken finden sich noch auf der Abraumhalde (Schachtberg) an der Vöhrumer Straße, hinter den ehemaligen Grubengebäuden.
Siehe auch: https://de.wikipedia.org/wiki/Grube_Peine
Feuerstein mit muscheligem Bruch
Feuerstein, auch Flint oder Silex, ist ein häufig in Kiesgruben oder auf dem Acker zu findendes Gestein, das nahezu ausschließlich aus Siliziumdioxid (Kieselsäure, SiO2) besteht. Das Siliziumdioxid liegt hierbei in Form von sehr feinkörnigem Quarz oder Chalzedon vor. Durch seine homogene Struktur erinnert es an Glas und wurde vor allem in der Steinzeit dank seines scharfkantigen Bruchverhaltens als Werkzeug benutzt. Die hierbei entstehende Bruchfront hat meist eine muschelige Form, wie sie auch an zerbrochenem Glas beobachtet werden kann. Wenn man Feuerstein gegeneinanderschlägt, entstehen Funken, die zum Anfachen von Feuer verwendet werden können.
Der hier vorkommenden Feuersteine wurden von den skandinavischen Gletschern aus den nördlicher gelegenen Oberkreide-Vorkommen (z.B. Schleswig-Holstein, Rügen) abgetragen und nach Süden verfrachtet. Alter 66 bis 100 Millionen Jahre
Gonioteuthis quadrata (Blainville) und Belemnitella mucronata (Schlotheim). Fundort: Kanaleinschnitt bei Schwicheldt, Oberkreide, Unteres Campanium. Alter ca. 75 Millionen Jahre
Als „Donnerkeile“ wurden oft die fossilierten Innenskelette ausgestorbener Kopffüßer (Tintenfische) bezeichnet. Wie heute lebende Kalmare hatten sie 10 Fangarme und einen Tintenbeutel. Während alles Weichgewebe irgendwann zerfiel, blieb das aus Kalk (Calcit, Aragonit) bestehende, kegelförmig zulaufende Ende ihrer Schale, das sogenannte Rostrum, bis heute erhalten. Bis zu zehn Zentimeter lang sind gut erhaltene Exemplare.
Der Donnerkeil taucht in zahlreichen Mythologien als die Waffe des Himmelsvaters Thor und Zeus auf. Die auf den Äckern nach einem Gewitter gefundenen Belemniten wurden von den Germanen als von Blitzen auf die Erde geschleudert angesehen.
Diese schwarzen, kantigen Gerölle findet man überall auf den Äckern und gehäuft in den eiszeitlichen Kiesablagerungen am Eixer See. Sie wurden während der Saale-Vereisung aus dem Unterkarbon des Harzes (Kulm-Kieselschiefer) von Gebirgsbächen verfrachtet. Aufgrund der kurzen Transportwege sind diese Gerölle nicht gerundet, sondern haben ihre geometrischen Formen behalten. Ihre Geometrie verdanken sie den während der Gebirgsbildung entstandenen Scherklüften (Riedelschen Scherklüfte) die aufgrund der Homogenität des Kieselschiefers gut ausgebildet sind.
Die Lydite oder auch Radiolarite entstanden durch die Ablagerungen von Kieselalgen in den Tiefen des unterkarbonischen Ozeans vor ca. 330 Millionen Jahren. Radiolarien oder Strahlentierchen sind eine Gruppe von Lebewesen mit einem aus Opal (Siliziumdioxid) bestehendem Skelett.
Ammoniten aus der Vöhrumer Tongrube: Calliconiceras (1-9), Leymeriella (10-19) unbestimmt (20), Hypacanthoplites (21)
Weitere Ammoniten aus der Vöhrumer Tongrube: Alter ca. 113 Millionen Jahre
Hypacanthoplites aff jacobi 1, 2, 4, 6 Hypacanthoplites elegans 3, 8, 9
Hypacanthoplites sarasini 5, 7
Abbildungen aus: Edwin Kemper & Winfried Zimmerle: Der Grenztuff Apt/Alb von Vöhrum.- Geologisches Jahrbuch A45, S. 125 – 143 Hannover 1978
In der Nähe der ehemaligen Vöhrumer Mergelgrube findet man auf den Äckern hellgraue kalkige Fossilien aus der Oberen Kreideformation (Unteres Campanium Alter ca. 80 Millionen Jahre). Es sind vor allem Seeigel, Muscheln, Inoceramen (ausgestorbene Muschelfamilie), Belemniten und Austern
Bohnerz (Eisenstein) ist ein Eisenerz mit einem hohen Fe-Gehalt von bis zu 76 %. Es besteht aus erbsen- oder bohnenförmigen, oft konzentrisch-schaligen, manchmal hohlen Knollen (Konkretionen) aus Limonit. Es tritt zusammen mit braunem oder rotem oft auch gelbem Lehm in Spalten und Höhlen im Kalkstein auf.
Die hier gezeigten Bohnerzgerölle stammen aus dem Campan-Aufschluss des Kanaleinschnitts bei Schwicheldt. Alter ca. 75 Millionen Jahre
Maße: ca. 25 x12 x 8 cm, Gewicht: 3 bis 4 kg.
Von 1892 bis 1973 bestand „vor den Toren Vöhrums in Richtung Peine“ (Alte Ortschronik) eine Dampfziegelei, in der Ziegel hergestellt wurden. Zu diesem Zweck wurde der Ton aus den Vöhrumer Tongruben mit Loren zur Ziegelei (Gelände links neben Holz-Kießling) gefahren, wo der Ton mit Sand und Kies aus den örtlichen Sandgruben vermischt („gemagert“) wurde und zu einfachen Ziegeln im „Reichsformat“ (25 x 12 x 6,5 cm) gebrannt wurde. An vielen alten Scheunen und Wohnhäusern in Vöhrum finden sich diese alten Ziegel, die durch ihre grobe Struktur mit vielen Einschlüssen von Sand und Kies auffallen. Es sind Mauersteine, keine Verblender oder Klinker!
Gewicht: rd. 4 kg
Maße: ca. 25 x12 x 8 cm, Gewicht: 3 bis 4 kg
Ein Lehmziegel ist ein mit den Händen oder mit einer Verschalung geformter und luftgetrockneter Quader. Fettem Lehm wird Sand beigemischt und manchmal faserhaltige Stoffe wie Stroh oder Tierhaare beigegeben. Pflanzenfasern verringern das Gewicht, verbessern die Wärmedämmung und geben Zugfestigkeit, so dass die Rissbildung während des Trocknens verringert wird. Bei starkem Regen weicht der Lehmziegel wieder auf, Lehmmauern müssen vor Dauernässe und Schlagregen geschützt sein. Durch Brennen wird ein Lehmziegel zum Backstein.
In Vöhrum wurden vor der Herstellung von Backsteinen oder Klinkern Jahrhunderte lang Lehmziegel zur Ausmauerung der Gefache von Fachwerkhäusern benutzt und man kann sie heute noch an alten Scheunen oder Resthöfen finden.
Autor: Dr. Gerhard Best, Kirchvordener Str. 68 gerhardbest@hotmail.com
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