Einseifen und Schnurren der Junggesellschaft Vöhrum
Adolf Cordes und Dr. Ingo Reinhardt berichten über diese alte Tradition, die sich bis heute erhalten halt
Adolf Cordes und Dr. Ingo Reinhardt berichten über diese alte Tradition, die sich bis heute erhalten halt
Von Adolf Cordes
Dieser alte schöne Fastnachtsbrauch ist in Vöhrum in den vergangenen 50 Jahren fast unverändert weitergeführt worden.
In meinen Erinnerungen hört sich das so an:
Der Saisonbeginn der Junggesellen begann im Februar mit der Untersuchung der Bewerber auf Tauglichkeit und dem Einseifen. Am nächsten Wochenende war dann das Schnurren. Meistenteils war Frostwetter und den Trompetern fror oftmals das Mundstück zu. Die Schnurrer hatten sich überwiegend mit Bettlaken und Hellkarierten Hosen kostümiert. Mit Schuhcreme waren die Gesichter etwas geschwärzt. Die 3 bis 4 Musiker (natürlich Blechmusik) marschierten vorweg und die Junggesellen mit einem Kinderwagen für die Eier und Bollerwagen für die Würste in bunter Folge hinterher.
Alle 300 bis 400m hielten die Musikanten und spielten lautstark einen schmissigen Marsch.
Während dieser Zeit konnten die Schnurrer in den Gehöften und Häuser ihre Eier usw.
sammeln.
Bild von Horst Ludwig, 1949
Anfang der fünfziger Jahre hatte Vöhrum Ca 3500 Einwohner. Im Dorf gab es nur Naturalien und ganz selten eine Flasche Korn oder Bargeld.
Nach meiner Erinnerung wurde die Bergmannssiedlung beim Schnurren ausgelassen, ich weiß nicht mehr ob es uns, oder den Musiker, zu anstrengend war.
Am Abend begann dann für uns Junggesellen bei Gustav Ernst (Gaststätte „Deutschen Eiche“) das große Brutzeln und natürlich Trinken. In der Küche hatte seine Frau (hinter vorgehaltener Hand Svine-Erna genannt) das Sagen. Wir waren ja jung und hatten dementsprechend Appetit, aber vor den riesengroßen Bratpfannen mit Spiegeleiern haben wir doch manchmal gepasst.
Wir alt gewordenen Junggesellen werden (Alatto) Albert Friehe nicht vergessen, der mit seinem rustikalen Charme eine Bereicherung unserer Junggesellenaktivitäten und des Dorfgeschehen war.
Die vielen Ring- und Hausschlachterdosenwürste konnten wir Junggesellen unmöglich verzehren. Am folgenden Sonntag war dann Großer Kappenball mit Tanz für alle in der Eiche.
Hier wurde dann die übrig gebliebene Wurst; Korn usw. amerikanisch versteigert.
Dies trug nicht nur zur Auflockerung des Abends bei sondern die Abgaben wie Musik, Gema usw waren damals für uns auch schon sehr hoch.
Nach dem ersten Schnaps und Bier wurde dann die Jacke ausgezogen und die ersteigerten Würste gemeinschaftlich verzehrt.
Unser Vöhrum hat ja jetzt über 7000 Einwohner aber dieser alte Brauch, Überlieferung oder wie man es immer nennen mag, wird auch von den jungen Vöhrumer fast unverändert weitergeführt.
Adolf Cordes
Von Dr. Ingo Reinhardt
Am ersten Sonnabend im Februar ziehen die Junggesellen von Haus zu Haus, um Eier, Wurst und Geld für das abendliche gemeinsame Essen zu sammeln: „Saisonbeginn“!
In diesem von der Junggesellschaft geübten Brauch lebt die Jahrhunderte alte Tradition der Fastnacht, des „Faslowend“ weiter.
Es wird davon ausgegangen, daß dieser Brauch seinen Ursprung in der Zeit hatte, als auch in unserem Raum ausschließlich der katholische Glaube gelehrt wurde. Insoweit ist eine Verwandtschaft mit dem Karneval oder Fasching unverkennbar.
Der gemeinsame Ursprung dieser Feier war das Verlangen, vor Beginn der früher kirchlich bestimmten Fastenzeit, also 40 Tage vor Ostern, noch mal ausgelassen „draufloszuleben“.
Früher trafen sich an diesem Tage die älteren männlichen Einwohner im Dorfkrug, um Angelegenheiten des Dorfes zu besprechen.
Währenddessen zogen die „Junggesellen“, angeführt von einem „Treckebeuel“ – Spieler (Ziehharmonikaspieler), von Hof zu Hof, um Würste und Eier zu sammeln. Diese wurden dann abends gemeinsam mit den im Dorfkrug versammelten „Alten“ verzehrt.
In unserem Dorf ist von den Fastnachtsbräuchen nur das „Schnurren“ geblieben.
Das erste Schnurren der Nachkriegszeit fand am Montag, dem 21. Februar 1949 statt.
Morgens um 9 Uhr zogen eine Anzahl lustig verkleideter Junggesellen mit zwei oder drei Musikern los. Mit Schuhcreme waren die Gesichter geschwärzt. Es ging durch das ganze Dorf, welches damals ca. 3.500 Einwohner hatte. Fast kein Haus wurde ausgelassen. Überwiegend wurden Eier und Würste gesammelt. Geld gab es nicht, da dieses aufgrund der Währungsreform am 20. Juni 1948 noch knapp war.
Die Musiker marschierten vorneweg und die Junggesellen mit einem Kinderwagen für die Eier und einem Bollerwagen für die Würste hinterher.
In der damaligen Konservenfabrik, der heutigen Volksbank, wurde den Junggesellen eine große Konservendose überreicht, allerdings ohne Beschriftung. In der freudigen Erwartung es befänden sich saure Gurken darin, wurden die Gesichter beim Öffnen immer länger: In der Konservendose befanden sich die allseits „beliebten“ und bekannten roten Rüben!
Gegen 15 Uhr waren alle wieder in der Gastwirtschaft „Deutsche Eiche“ bei Gustav Ernst versammelt. Es begann das große „Brutzeln“. In der Küche hatte seine Mutter, von den alten Vöhrumern „Swine Minna“ (Erna Ernst, geb. Klages) genannt, das Gesammelte zubereitet. Die Junggesellen versuchten abends alles zu verzehren, was, wie auch später, meistens nicht gelang. Vor den riesengroßen Bratpfannen mit Spiegeleiern mußten selbst die jungen und „hartgesottenen“ Junggesellen passen. Die übriggebliebenen Eier wurden schließlich verkauft.
1970 mußte das Schnurren entgegen dem alten Brauch leider ohne Musik stattfinden, da es den Junggesellen unmöglich war eine Kapelle aufzutreiben. Die Junggesellschaft war nämlich damals, wie heute, auf die Einnahmen des Schnurrens angewiesen. Dennoch fanden sich ca. 15 Junggesellen ein, um sammeln zu gehen.
Seit Februar 1976 findet das Schnurren zudem ganztägig statt.
Heute treffen sich die Junggesellen immer noch am ersten Sonnabend im Februar, um in den verschiedensten und ausgefallensten Verkleidungen durch das Dorf zu ziehen. Vorweg der Spielmannzug in ebenso lustigen und dekorativen Verkleidungen.
Bei Frostwetter friert den Trompetern oftmals das Mundstück zu.
Wie jeher werden auch hierbei Eier, Wurst und Geld gesammelt. Hierbei wurden von dem besten Junggesellen schon mal über 600,- DM gesammelt. Auf der anderen Seite haben zwei sammelnde Junggesellen auch schon mal zusammen den Tag mit 2,04 DM beendet.
Auch kam im Laufe der Zeit allerhand „Hochprozentiges“ hinzu.
Schon traditionell wird an „Putzer`s Ecke“ (Kreuzung Pelikanstraße / Schwicheldter Straße) bei Freya Müller eine kleine Pause eingelegt, um „neue Kraft zu tanken“.
Das Gesammelte wird am Abend schließlich in einer der Vöhrumer Gastwirtschaften verzehrt, wobei das Gesammelte durchaus bis in so manche Morgenstunde reichte.
Auch das traditionelle Schnurren zeigt: „Wir sind, was wir waren!“
Dr. Ingo Reinhardt
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