Vor über 40 Jahren – Das Ende der Gemeinde Vöhrum

Von Sven Pleger

In diesem Artikel lesen Sie die Geschichte des Endes der selbständigen Gemeinde Vöhrum. Alle Bilder: © DigAV Sven Pleger – Heimat- und Kulturverein

Zähe Verhandlungen – Suchen nach Alternativen

Gebietsreform 1974 – Von der selbständigen Gemeinde Vöhrum zum Ortsteil von Peine

Die Entwicklung Vöhrums in den Nachkriegsjahren wurde durch einen selbständigen Gemeinderat geleitet. Diese gewählten Kommunalpolitiker vertraten die Interessen unseres Ortes und förderten das Bestreben Vöhrums, zu einer modernen Wohn- und Industriegemeinde mit einem landwirtschaftlichen Kern zu wachsen. Die Entscheidungen konnte der Gemeinderat mit seiner eigenen Verwaltung, als eigenständiges kommunales Gremium, ohne Einfluss der nahen Stadt Peine durchführen. Die Stadt ihrerseits hatte schon seit Mitte der 50er Jahre Interesse ihr Einzugsgebiet auf Vöhrumer Bebauungsgebiet auszudehnen und somit die Lücke zur damals selbstständigen Gemeinde Vöhrum zu schließen. Seit einem 1964 gegründeten Planungsverband versuchte der Gemeinderat auf dieses Bestreben Einfluss zu nehmen. Die Landesregierung in Hannover indes plante eine weitreichende Gebietsreform. In einem Gutachten kam sie zu dem Schluss, dass eine Eingemeindung Vöhrums nach Peine zweckmäßig sei. Dem entgegen zu wirken war das Ziel der seit 1966 stattfindenden Treffen zwischen Vöhrumer Ratsherren und ihren Kollegen aus verschiedenen Orten denen das gleiche Schicksal bevorstand, zum Beispiel Landwehr, Eixe, Röhrse, Hämelerwald und weitere. Die Gründung eines Gemeindeverbandes, also eine Samtgemeinde, mit mehreren Ortschaften wurde angestrebt. Die Stadt Peine wollte ihren Anspruch durch Gründung einer Schule zwischen Telgte und Vöhrum Nachdruck verleihen. Die Gemeinde Vöhrum versuchte sich durch Zusammenschluss mit anderen Ortschaften zu wehren. Aber, eine Kommission der Landesregierung zur Überprüfung welche Orte eingemeindet werden sollten, überbrachte im Juni 1972 die gefürchtete Botschaft. Dazu fand eine Abschlussbesprechung im Dorfgemeinschaftshaus statt. Der Gemeinderat verhandelte dann seit Oktober 1973 in einem Gebietsänderungsvertrag eine für Vöhrum nicht nachteilige Eingliederung an die Stadt Peine aus. Dies war vor allem für die Nutzung öffentlicher Einrichtungen wie Dorfgemeinschaftshaus und Sportstätten wichtig.

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Das Ende war gekommen

Am 22. Februar 1974 fand die letzte Sitzung des gewählten selbständigen Vöhrumer Gemeinderates statt. Dieser standen Bürgermeister Walter Titze und Gemeindedirektor Heinz Kandelhardt vor. In der Ansprache des Bürgermeisters wurde ein Blick auf die rund 900 Jahre, oft schwere Zeiten durchstehende Entwicklung des Dorfes geworfen. So, wie die Konzentration von Macht und Kraft, das wirtschaftliche Vorankommen schon in der Vergangenheit ermöglicht hat, so vielleicht auch diese Eingemeindung. Walter Tietze wies darauf hin, dass die Reformierung der Gebiete andernorts schon weiter sei, auch weil Niedersachsens Weg Zweifel an der Durchführung hinterlasse. Das Aufgeben der Selbstständigkeit bedeute vor allem die Bürgernähe aufzugeben und das nun die Verwaltung maßgeblich bestimmt werde von Menschen, die nicht die feste Bindung zu Vöhrum besäßen wie die Verwaltung bisher. So blieb dem scheidenden Bürgermeister zum Abschluss nur die Verabschiedung der Ratskollegen, des Gemeindedirektors und seinen Mitarbeitern vorzunehmen. Der außerordentliche Dank für die geleistete Arbeit zum Wohl der Gemeinde stand dabei im Vordergrund. „ So darf ich die heutige letzte Sitzung schließen in der Hoffnung, dass der Name Vöhrum auch innerhalb der Stadtgrenzen erhalten bleibt und die Eingemeindung auf lange Sicht der Bevölkerung Vorteile bringt.“, schloss Walter Tietze seine Rede. Zu bemerken war auch der geringe Schuldenstand der Gemeinde, der pro Kopf nur die Hälfte dessen der Stadt Peine betrug. Andere Gemeinden hinterließen der Stadt einen schlechteren Haushalt.
Am 28. Februar 1974 war die Selbständigkeit der Gemeinde Vöhrum Geschichte und zum Zeichen der Trauer hissten Ratsherren mit Verwaltungsangestellten eine schwarze Fahne vor dem nun „Ehemaligen Rathaus“. Begleitet von 12 brennenden Fackeln zogen am Abend in einem Schweigemarsch die Gemeindebediensteten zum Dorfgemeinschaftshaus und nahmen Abschied von ihrer bisherigen Tätigkeit und bilanzierten die gemeinsame Vergangenheit. Ratsherren beider Fraktionen sangen zusammen mit Verwaltungsangestellten noch ein Schmählied auf das Ende der Selbstständigkeit.

Die schwarze Fahne wird gehisst

Gemeindemitarbeiter am Rathaus Vöhrum

Das Ende war gekommen

Nachdem der Schock überwunden war, wurde an einer reibungslosen Eingliederung und Verwaltung der Ortschaft an die Stadt Peine gearbeitet. Durch den im Juni 1974 gewählten Stadtrat von „Groß Peine“ mit den gewählten Vöhrumern Bernd Leunig und Wilhelm Ernst von der SPD und Werner Bödecker und Hubert Klinke von der CDU waren die Interessen Vöhrums gesichert. Ebenfalls im Juni 1974 fanden auch die ersten Ortsratswahlen statt. So wurde dieser von Eixern, Landwehrern und Vöhrumern gemeinsam gewählt und tagte am 2. Juli 1974 das erste Mal im „Ehemaligen Rathaus“. Seither vertritt ein Ortsbürgermeister mit einem Ortsrat in Legislaturperioden die genannten Ortsteile. Wer die Arbeit dieses Gremiums kennt, weiß, dass auch heute nichts ohne die Zustimmung dieser Bürgervertretung in Vöhrum entschieden wird. Den schlimmsten Befürchtungen zum Trotz hat sich auf diese Weise die größte Ortschaft im Verband der 14 eingemeindeten Ortschaften einen sicheren Stand in der Stadt Peine erarbeitet.

Ausführliche und anschauliche Informationen zur Gemeindereform in Vöhrum finden Sie in der Ortschronik ab Seite 125, die auch Quelle für diesen Text war. Die Bilder wurden von Horst Hanse und Ewald Werthmann dem Digitalen Archiv Vöhrum DigAV zur Verfügung gestellt.

Sven Pleger

Artikel zum Abgesang

…der zeigt mit welch schwarzem Humor das Ende “gefeiert” wurde