Vöhrum und die Rentnerbank

Von Adolf Cordes

Häuser könnten erzählen, Menschen können erzählen und auch die Bank am Hainwald, an der Weggabelung zum Adolphshof, könnte erzählen was auf ihr, nicht nur von den Rentnern diskutiert wurde und was rechts und links und in der Ferne zu sehen ist.

Auch heute sitze ich gern in Gesellschaft oder allein auf dieser Bank und träume von längst vergangenen Zeiten.

Bei guter Fernsicht ist links in ca. 2 km Entfernung der Wald zu sehen der sich bis zur Bahnlinie Hannover-Braunschweig hinzieht. Gegenüber von Wald und Bahnstrecke stand ein längst abgerissene  Bahnwärterhaus (der letzte Bewohner war der Schrankenwärter Heinrich Warmbold). Etwa  200 m vom Wohnhaus war ein Bahnübergang, der vom Posten 41 (etwa 600 entfernt) fernbedient wurde (hier war Heinrich Warmbold Schrankenwärter).

Ich schweife etwas ab. Zu Anfang meiner Lehrzeit war ich im Sommer 1952 oder 1953  vier Wochen auf dem Schrankenposten zur Ausbildung. Heinrich sagte damals zu mir: gah mal da Dörpe und hule mik hen Pund ohne Knuken. Er meinte 1 Pfund Thüringermett.

Vorher, mehr zu ahnen als zu sehen, der Entwässerungsgraben des Waldes der durch ein mannshohen Rohr unter der Bahnlinie durchfließt und als Landwehrgraben in die Fuhse mündet.

Hier(Rohr unter der Bahnlinie) wollte sich der Lokführer eines Güterzuges ende des letzten Krieges (1939-1945) vor den angreifenden Flugzeugbeschuss in Sicherheit bringen. Leider wurde er von der Bordflak getroffen und verstarb.

Links ist in etwa 7 km Entfernung die stark befahrende Autobahn A2 von Oberhausen nach Berlin schwach zu sehen.

Weiter geht der Blick und die Gedanken über grünende Felder und der Bahnlinie auf die Skyline von Vöhrum.  Bei einer besonderen Wetterlage ist der Brocken (höchster Berg des Harzes 1142 m hoch und ca 100 km entfernt) rechts von der Bank klar zu erkennen.

Direkt gegenüber der Rentnerbank ist auf der von Vöhrum kommenden Teerstraße schon frühzeitig zu erkennen, wer sich dem Wald nähert. Rechts ist in etwa 4-5 km Entfernung Glas-Hoffmann und weiter blickend ist der Segelflugplatz zu sehen. Der Segelflugplatz wurde auf der Abraumhalde des Mittellandkanals (Baubeginn 1906 durch Kriege unterbrochen und Fertigstellung 1942) angelegt auch ist im fernen Dunst Peine zu sehen.

Rechts von der Bank ist in ca. 3 km eine buschumwachsene etwa 10 m tiefe und ca. 100 m breite und 300 m lange trockene Kuhle zu sehen. Hier wurde bis ca. 1950 Mergel für die Vöhumer Landwirte abgebaut. Mergel mit Kompost und Mist vermischt war ein Düngemittel für nasse waldnahe Felder. Dicht in der Nähe der Mergelkuhlen (ca. 1 km) sind die jetzt mit Wasser vollgelaufenden Tonkuhlen der 1973 stillgelegten und abgerissenen Ziegelei Vöhrum (letzter Betreiber: Gerhard Starke) zu sehen. Starke bezog den Kies für die Ziegelsteine aus der Kiesgrube bei den zwei Bäumen (jetzt Dorfpark an der Herrenfeldstraße) und den Ton aus der Tongrube (im oberen Satz genannt).

Der Blick von der Rentnerbank schweift über die waldnahen  Ackerflächen.Bis  Ende des 19. bzw Anfang des 20 Jahrhunderts warfen diese waldnahen nassen Ackerflächen nur wenig Ertrag ab. Durch intensive Drainage (erst durch ca. 60 lange 4×4 m lange Tonrohre, ab ca. 2010 endlos lange Kunststoffrohre) und durch intensive Düngung nach Einführung des Kunstdüngers werfen auch diese Böden guten Ernteertrag ab. Da der Kunstdünger auch gravierende Nachteile hat, wird jetzt wieder verstärkt auf Grünlanddüngepflanzen oder ähnliches zurückgegriffen.

Der breite, nicht befestigte Weg an der Rentnerbank vorbei, führt von Schwicheldt über den Mittellandkanal bis nach Hämelerwald.

Etwa 3,5 km von der Bank befinden sich (bevor der Weg durch den Wald führt) mehrere Weiden. Zum Teil sind die Weiden für die heutige Landwirtschaft zu klein, sehr nass und werden vom Schwarzwild ständig aufgebrochen. Unmittelbar im Waldknick befindet sich eine Weide, die im Oktober 2003  in vielen Zeitungen erwähnt wurde. Ein Nebenerwerbslandwirt hatte dort seine eigenen und auch fremde Ferienpferde im Sommer artgerecht auf der Weide. Ein Pferderipper hat dort mehrere Pferde tödlich verletzt. Es wurde viel vermutet über das wie und warum, aber trotz intensiver Suche wurde der Pferderipper nicht gefasst.

Wir können träumen, nachdenken oder uns ganz einfach an der schönen Natur erfreuen.

Ich kann nicht anders und ich muss immer wieder bei meinen Radfahrten durch die Natur denken: wie sah es hier vor 100 oder 200 Jahren aus.

Aber nun zurück zu Heinz Plate vor der Rentnerbank.

Heinz Plate wurde 1939 geboren. Sein Vater fiel im gleichen Jahr im Krieg 1939-1945.

Mit seinem Großvater führte er ab seinem 15 oder 16 Lebensjahr die kleine Landwirtschaft und lernte nebenbei den Beruf des Hausschlachters. Heinz war nie verheiratet und lebte mehrere Jahre allein im Tip/Top gepflegten großen Grundstück Anfang Eixe.

Als die Landwirtschaft keinen ausreichenden Ertrag mehr brachte, war er die letzten Arbeitsjahre als Saugbaggerfahrer in Berkum.

Um seinem Hobby der Jägerei nachzugehen, hatte er die Jagdprüfung abgelegt und fuhr mit dem PKW vor und nach seiner Arbeit zum Kirrplatz der Wildschweine etwa 300 m hinter der Rentnerbank im Walde.

Der Kirrplatz war unmittelbar unter der Jagdkanzel. Ob es waidgerecht war die Wildschweine

durch Mais usw an feste Fressplätze zu gewöhnen kann ich nicht beurteilen.

Heinz durfte nur im Auftrag des Jagdpächters ein Schwarzwild erlegen.

Einmal sagte Heinz zu mir: morgen früh will ich zum Hochsitz Wildschweine beobachten, wenn du mit willst bist du gern willkommen. Und dann gab er mir Verhaltensmaßregeln: Nicht mit duftender Seife sondern nur mit Kernseife waschen bzw. rasieren. Um 3.00 Uhr an der Rentnerbank sein. 2 Stunden auf dem Hochsitz absolute Ruhe und manches mehr. Jedenfalls ich hab verzichtet. Jahre später hat Heinz sich beim Abschuss eines Schwarzwildes nicht waidgerecht verhalten und wurde von den Vöhrumerjägern gemieden. Er verlegte sich dann auf ein Schwarzwildrevier zwischen Autobahn und Fuhse in ein Eixer Revier.

Links neben der Bank steht eine Eiche, die vom Vater des ehemaligen Ortsbürgermeister Ewald Werthmann gepflanzt wurde. Viele, die regelmäßig sonntags zur Rentnerbank kamen weilen nicht mehr unter uns. Aber immer noch sitzen dort überwiegend sonntagmorgens Rentner oder andere Gäste.

Adolf Cordes