Landwehr – Vöhrums besonderer Nachbar

Von Hans-Heinrich Papenburg

Viele Bürgerinnen und Bürger fragen sich, wovon ist eigentlich immer die Rede wenn die älteren von der Landwehr sprechen und warum trägt der Ortsrat und der Heimat- und Kulturverein dieses Landwehr in seinem Namen? In den folgenden Artikeln finden Sie die Antwort darauf.

Der Sohn, Hans-Heinrich Papenburg, des letzten Bürgermeisters der selbstständigen Gemeinde Landwehr hat im Jahr 2014 einen Artikel für die Peiner Allgemeine Zeitung verfasst. Hier können Sie den Originaltext lesen.

Das Wappen von Landwehr!
Dem aufmerksamen Besucher der Homepage der Stadt Peine wird es nicht entgangen sein: Auf der Seite „Stadtinfos, Ortschaften und Ortsteile”, steht ein weiteres Wappen. Es ist das Wappen des Ortsteiles Landwehr, dem kleinsten Ortsteil der Stadt Peine. Dieser Ortsteil hat zurzeit 33 Einwohner zwischen 1 und 88 Jahren.
Wappen LandwehrWer mit dem Fahrrad oder zu Fuß am nordwestlichen Ortsausgang von Vöhrum rechts in die Straße Landwehr abbiegt, kommt durch Landwehr, weiter durch das Naturschutzgebiet Fuhsetal über die Fuhsebrücke nach Eixe. Heute ist die Passage natürlich „zollfrei”. Seit Jahrhunderten war Landwehr ein Grenzort zwischen dem Herzogtum Lüneburg und dem Hochstift Hildesheim. Das Zollhaus aus dieser Zeit ist noch vorhanden, heute allerdings zu einem schmucken Wohnhaus umgebaut. Die erste urkundliche Erwähnung geschah als „vor de Lantwere to Vorde”, sie stammt aus dem Jahr 1406. In Landwehr befand sich eine der ältesten Gaststätten in der Region, die erste unkundliche Erwähnung beschreibt den Neubau um 1657, es ist aber davon auszugehen, dass die Einrichtung mehr als 200 Jahre älter ist. Der Gaststättenbetrieb wurde 2008 eingestellt.
Bis zum 28.02.1974 war Landwehr eine selbstständige Gemeinde im Landkreis Burgdorf, Regierungsbezirk Lüneburg. Landwehr war eine der kleinsten selbstständigen Gemeinden in Deutschland. Im vorigen Jahrhundert wohnten hier zumeist 9 bis 20 Einwohner. Bis 1974 konnten die wahlberechtigten Einwohner – damals: Mindestalter 21 Jahre – ihren Bürgermeister direkt wählen. Letzter Amtsinhaber war Otto Papenburg, mein Vater.
Wir danken der Stadt, dass sie nach einem Hinweis von Rolf Ahlers das Wappen mit auf der Homepage aufgenommen hat. Ein kleiner Ort hat auch seine Geschichte, auf die unsere interessierten Einwohner des Stadtteiles stolz sind.
Hans-Heinrich Papenburg aus Landwehr, Stadt Peine

Aus dem Wappenbuch des Landkreises Peine

Landwehr

Der kleine Ort Landwehr, der als einziger nunmehriger Stadtteil von Peine bei der Eingemeindung 1974 kein Wappen besaß, erhielt noch im selben Jahr eines von der Stadtverwaltung anlässlich der Ausgestaltung der Peiner Wappen-Stadtkarte im Rathaus. Es ist sozusagen eine grafisch abstrahierte Landkarte, die den Ortsnamen erläutert: im roten Schild ein goldener Schrägbalken als Straße, die in der Mitte von einer Landwehr in Gestalt eines goldgeränderten roten Rechtecks überdeckt wird. Entwurf: Werner Szews.

Anmerkung der Redaktion: Die Farben des Wappens könnten historisch bedingt auch Blau und Gelb sein, da das Gebiet lange Zeit dem Fürstentum Lüneburg, bzw. dem Herzogtum Braunschweig-Lüneburg zugehörig war und nicht zum Hochstift Hildesheim gehörte. Die Ortschaften im Landkreis Peine, die die Farben Blau und Gelb im Wappen tragen gehörten typischerweise dem Herzogtum an. Vielleicht gab es aber, wie im Fall von Röhrse Abhängigkeiten zum Bistum Hildesheim, an das Abgaben gezahlt werden mussten. Hier ist sicher ein Quellenstudium hilfreich.

Der folgende Artikel erschien kurz vor der Gebiets- und Verwaltungsreform. Der Redakteur interviewte den letzten Bürgermeister der Gemeinde Landwehr. Der Beitrag beschreibt in herrlich unverblümter Art was die Landwehr war und wie die Menschen dachten. Der Text wurde nicht verändert, entsprechend sind alte Rechtschreibregeln geblieben.

Burgdorfer Kreisblatt, Nr. 181, Montag. 6. August 1973, Rubrik STADT UND LAND

18 Einwohner, 4 Häuser und 1 Hund – L a n d weh r.

Landwehr. “Das weiß ich auch nicht so ganz genau”, sagte Bürgermeister Otto Papenburg auf unsere Frage, ob Landwehr tatsächlich die kleinste selbständige Gemeinde in der Bundesrepublik sei. “Vor ‘n paar Jahren gab es da oben in Lüchow-Dannenberg, so, j. w. d.’ eine Gemeinde, da lebte nur einer ganz alleine. Aber den haben die jetzt wohl irgendwann mal eingemeindet. Kann schon sein, daß wir jetzt wieder die kleinste Gemeinde sind. Auf jeden Fall ist Landwehr aber die kleinste” und ungewöhnlichste Gemeinde, die es im Landkreis Burgdorf gibt.

Bild:Wer nach Landwehr fahren will, muß zunächst einmal den Landkreis Burgdorf verlassen und in den Landkreis Peine nach Vöhrum fahren. Unser Foto zeigt hinten links das alte Zollhaus, den Ortsbeginn von Landwehr.

Man muß schon höllisch aufpassen, wenn man sie nicht verfehlen will. Von Sievershausen kommend muß man schon das “Territorium” des Landkreises Burgdorf verlassen und in den Landkreis Peine hineinfahren. Genauer gesagt nach Vöhrum. Wenn man dann ungefähr 100 Meter weit in Vöhrum gefahren ist, glaubt man zunächst seinen Augen nicht zu trauen. Da steht nämlich an eine alte Hauswand gelehnt plötzlich das Schild “Landwehr”, Kreis Burgdorf, Reg.-Bez. Lüneburg”.

Eine etwas “verrückte Welt”: Rechts von der Straße befindet man sich im Landkreis Peine und Regierungsbezirk Hildesheim und links praktisch auf Peiner Gebiet aber im Landkreis Burgdorf. Trotz dieser verworrenen Tatsachen fühlen sich die 18 (!) Einwohner der Gemeinde Landwehr ganz wohl.

Bürgermeister Papenburg, der für das Wohl der sieben Männer und Frauen sowie der vier Kinder verantwortlich ist, hat viel zu tun. Allerdings nicht so sehr mit den Gemeindegeschäften als vielmehr auf seinem Bauernhof. Deshalb fand das Gespräch mit dem “Burgdorfer Kreisblatt” auch in “luftiger Höhe” auf dem Boden der Scheune statt, wo er mit seinem Sohn dabei war, einen Raum mit Folie abzudichten.

Schäferhund “Ralf” hielt uns wohl zunächst für “feindliche” Spione aus Peine und wollte uns den Eintritt verwehren. Doch dann sah er ein, daß wir keine schlechten Hintergedanken hatten, und ließ uns passieren. In gebückter Haltung, die Decke war ziemlich niedrig, stand dann Otto Papenburg Rede und Antwort. Nach seinen Aussagen ist die älteste Einwohnerin 82 Jahre alt. Jüngster Einwohner ist Henning, ganze vier Jahre. Früher waren in Landwehr fast alle Landwirte. Die meisten Einwohner kamen erst nach dem Zweiten Weltkrieg in den kleinen Ort und bauten sich hier ein neues Zuhause auf. Die Landwirtschaft betrieben jetzt nur noch zwei Einwohner.

Der Bürgermeister und Gastwirt Rokahr. “Zwischen diesen beiden Häusern wechselt sich auch immer das Amt des Bürgermeisters ab. Nicht daß wir das unter uns ausmachen. Hier wird richtig alle vier Jahre gewählt. Aber Bürgermeister waren eben immer nur Fritz Rokahr oder ich.”

GastaetteLandwehrBurgdKreisblatt73fritzrokahr

Man muß schon genau aufpassen, daß man das Ortsschild von Landwehr nicht übersieht. Es steht am arten Zollhaus. Einziger gewerblicher Betrieb in der 18-Seelen-Gemeinde ist die Gastwirtschaft “Zur Landwehr”, die dem ehemaligen Bürgermeister Fritz Rokahr (Bild rechts, Foto aus “Lehrter Land und Leute”) gehört.

Sogar ein Schild mit der Aufschrift Gemeindeverwaltung Landwehr gibt es. (Bild ganz unten). Doch nachdem Otto Papenburg eine kleine Veranda vor sein Haus bauen ließ, blieb das Schild in der Wohnung hängen. “Zur Feier des Tages” holte er es für ein Foto noch mal heraus. Fotos (5): Till

Mit den Nahverkehrstarifen gab es Schwierigkeiten

Die Gemeinde Landwehr ist mit allen Ländereien rund 66 Morgen groß. Auf diesen 66 Morgen stehen vier Wohnhäuser. “Wir haben vier Häuser, aber fünf Hausnummern. Das alte Zollhaus hat auch noch eine abgekriegt. Da sind heute aber nur noch Vieh und Geräte untergestellt.” Seit wann es die Gemeinde schon gibt? Nun, so genau wußte das Bürgermeister Papenburg auch nicht. Sein Schwiegervater hat ihm aber erzählt, Landwehr sei schon älter als Peine.

Einen Gemeinderat gibt es nicht. Dochtreffen sich die Wahlberechtigten in der Gemeindeversammlung, um Probleme zu besprechen. “Das müssen aber schon wirklich große Probleme sein. Sonst machen wir das untereinander ab.” Den Haushaltsplan der Gemeinde stellt der 80-jährige Fritz Rotermund in Röhrse auf. “Wie hoch der ist? Na, so ungefähr 20 000 Mark”, sagte uns der Bürgermeister. Ziemlich “mies” sieht es mit der Kreisumlage aus. “Wir müssen viel mehr bezahlen, als wir aus Burgdorf bekommen. Wir werden aber im allgemeinen nicht als Stiefkind behandelt. Manchmal haben wir das Gefühl, als ob die Landwehr alle nicht so ernst nehmen. Dadurch haben wir den anderen oft etwas voraus.”

“Ärger” gab es für die Landwehrer vor kurzem mit den Nahverkehrstarifen. Bürgermeister Papenburg fuhr extra nach Burgdorf um sich bei der Straßenverkehrsabteilung zu erkundigen, ob auch die Einwohner aus Landwehr die Vorteile ausschöpfen dürften. Die Antwort war positiv. So wollten denn auch die Landwehrer beim Busfahrer nur die 70 Pfennige bezahlen. “Der Busfahrer kam gleich zu mir auf den Hof und erkundigte sich, ob das auch in Ordnung sei. Ich habe ihm gesagt, er könne ruhig in Burgdorf nachfragen.” In Hannover angekommen, machte sich der Fahrer dann gleichauf den Weg, um sich bei seinen “Dienstherren” von der Rechtmäßigkeit unterrichten zu lassen. “Die haben ihm gesagt, daß die Landwehrer den vollen Preis bezahlen müßten. Begründet wird das damit, daß wir zwar im Landkreis Burgdorf einsteigen, aber in Vöhrum im Landkreis Peine aussteigen.”

Nun haben die Landwehrer aber doch noch einen Weg gefunden, um den Nahverkehrstarif auszunutzen. “Aber schreiben Sie bloß nicht, wie wir das machen”, bat uns Otto Papenburg. Diese Lösung ist nämlich nicht so ganz im Sinne der Erfinder in Hannover. Dem Landkreis Burgdorf fühlen sich die Bürger Landwehrs nur noch auf dem Papier verbunden. Sie bilden nämlich mit Vöhrum eine “Einheit”. Bürgermeister Papenburg ist Mitglied in fast allen Vereinen der Gemeinde. “Die sagen zwar manchmal noch scherzhaft: „Guck mal, da kommen die Ausländer!, Aber wir kommen wirklich prima mit den Vöhrumern aus.” Wenn es mal irgend etwas Kniffliges auf der Gemeindeverwaltung zu tun gibt, so holt sich der Bürgermeister Tips von seinen Amtskollegen aus Vöhrum. “Die kennen sich da viel besser aus”, gibt er gerne zu. Vom nächsten Jahr an wird die kleinste Gemeinde des Landkreises Burgdorf dem Landkreis Peine endgültig zugeordnet werden. Durch die Gebiets-und Verwaltungsreform wird sich für die Landwehrer kaum etwas ändern. Sie kaufen sowieso in Vöhrum ein. Die Kinder gehen dort zur Schule und werden dort auch konfirmiert. “Eigentlich gehören wir ja der Kirchengemeinde Sievershausen an; aber der Weg dorthin ist einfach zu weit”. sagte die Frau des Bürgermeisters.

Einen ernsthaften Versuch sich der Samtgemeinde Arpke anzuschließen, gab es nicht. “Das hat für uns doch sowieso keinen Zweck.”Daß sich sogar die Beamten der Landkreise Burgdorf und Peine beim Thema Landwehr nicht immer ganz einig sind, beweist ein Fall aus der Gegenwart. “Da gibt es einen Weg in der Gemarkung Landwehr”, erklärt Bürgermeister Papenburg. “Das Kulturamt sagt, der gehört der Gemeinde Landwehr. Beim Grundbuchamt haben die aber gesagt, der würde der Realgemeinde Vöhrum gehören.”

In der nächsten Woche soll der Fall auf einer Versammlung geklärt werden. Nach der Gebiets-und Verwaltungsreform heißt es also endgültig Abschiednehmen von der Gemeinde Landwehr, die wohl in vielerlei Hinsicht eine Besonderheit darstellt. Das “Hannover-Gesetz” läßt in seiner jetzigen Form viel zu wünschen übrig. Fast kann man glauben, dass die 18 Einwohner in Landwehr so ziemlich die einzigen sind, die sich über die Entscheidung aus Hannover freuen.

Eckard Schulz

Eine Bushaltstelle gibt es in Landwehr. Doch darf man auf der Landwehrer Seite nur einsteigen. Das Aussteigen erfolgt auf der Vöhrumer Seite und damit im Landkreis Peine und Regierungsbezirk Hildesheim. Deshalb können die Landwehrer auch offiziell nicht für den Nahverkehrstarif fahren (rechtes Foto aus “Lehrter Land und Leute”).

1838 hat ein Receß (Grenz-Rezess) der Landbesitzverhälnisse der Bewohner der Landwehr stattgefunden. Dieser sollte Streitigkeiten in den Gebietsverhältnissen auflösen. Wenn Sie dem Link Receß – 1838 folgen, können Sie das Originaldokument lesen.

Ein weiterer Artikel hat im April 2012 im “Lehrter Land und Leute”, einem Magazin zur Geschichte, Kultur und Heimatkunde gestanden, welcher auch auf die Geschichte der Landwehr eingeht.

Diesen Artikel und der vorangegangene aus dem Burgdorfer Kreisblatt finden Sie in den folgenden Links.

Ausschnitt aus der Kurhannoverschen Landesaufnahme von 1781, die auch den Landwehrteich an der Grenze ausweist.